Cannabis kann zu einer sogenannten Cannabiskonsumstörung führen, die als Teil der Substanzstörungen gilt. Es wird angenommen, dass ein gewisser Prozentsatz der Konsumenten eine Abhängigkeit entwickelt, jedoch ist dieses Risiko im Vergleich zu anderen Drogen wie Tabak oder Alkohol geringer. Interessanterweise könnte das Risiko für Menschen, die medizinisches Cannabis verwenden, noch niedriger sein, da der Konsum in diesen Fällen eher auf die Linderung von Krankheitssymptomen abzielt und nicht auf die Erzielung eines psychoaktiven Effekts.
Was ist eine Cannabiskonsumstörung?
Die Cannabiskonsumstörung wird als problematisches Muster des Cannabiskonsums definiert, das zu einer signifikanten Beeinträchtigung oder Belastung im Alltag führt. Sie gehört zu den Substanzstörungen, die in Diagnosesystemen wie dem DSM-5 und der ICD-10 erfasst sind. Zu den typischen Anzeichen einer solchen Störung gehören unter anderem der Verlust der Kontrolle über den Konsum, die Unfähigkeit, den Konsum zu reduzieren, sowie der wiederholte Gebrauch trotz negativer sozialer, beruflicher oder gesundheitlicher Folgen. Personen, die eine Cannabiskonsumstörung entwickeln, können auch Entzugssymptome wie Reizbarkeit, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen erleben.
Unterschiede zwischen medizinischem und rekreativem Cannabiskonsum
Der Gebrauch von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterscheidet sich maßgeblich vom rekreativen Konsum. Während bei der medizinischen Anwendung das Ziel die Linderung von Symptomen ist, zielt der freizeitliche Konsum oft auf ein psychoaktives “High” ab. Diese unterschiedlichen Motive spielen möglicherweise eine entscheidende Rolle dabei, warum die Entwicklung einer Abhängigkeit bei medizinischen Nutzern weniger wahrscheinlich erscheint. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass medizinischer Konsum eher in einem kontrollierten Rahmen stattfindet, was das Risiko zusätzlich verringern könnte.
Physiologische Aspekte und Suchtpotenzial
Tetrahydrocannabinol (THC) ist die wichtigste psychoaktive Substanz in Cannabis und wirkt auf das Endocannabinoid-System des Gehirns, das für die Regulierung von Gefühlen, Schmerz und Appetit verantwortlich ist. THC aktiviert das Belohnungssystem, indem es die Ausschüttung von Dopamin stimuliert. Diese erhöhte Dopaminausschüttung ist ein Schlüsselfaktor bei der Bildung von Abhängigkeiten.¹
Im Vergleich zu anderen Drogen wie Opioiden, Kokain oder Alkohol hat Cannabis jedoch ein geringeres Suchtpotenzial. Eine körperliche Abhängigkeit, die mit schwerwiegenden Entzugserscheinungen wie bei Opioiden oder Alkohol einhergeht, ist bei Cannabis nicht bekannt. Trotzdem kann der regelmäßige Gebrauch psychische Abhängigkeiten hervorrufen, die sich in Entzugssymptomen wie Reizbarkeit, Schlaflosigkeit und Stimmungsschwankungen äußern.
Zwischen 2007 und 2010 wurden in Großbritannien unter der Leitung von David Nutt Studien durchgeführt, die untere anderem auch das Abhängigkeitspotential von verschiedenen Substanzen untersuchten.
Cannabis als unterstützende Therapie bei Opioidabhängigkeit
Interessanterweise wird Cannabis auch in der Suchtbehandlung eingesetzt, insbesondere bei der Behandlung von Opioidabhängigkeit.² Einige Studien zeigen, dass Cannabis dazu beitragen könnte, die Einnahme von Opioiden zu reduzieren, indem es als weniger schädliche Alternative zur Schmerzlinderung genutzt wird. Patienten, die von Opioiden abhängig sind, könnten mithilfe von Cannabis den Entzug von härteren Substanzen erleichtern, was den Therapieprozess unterstützen kann.
Die Verwendung von Cannabis als Ersatz- oder Unterstützungstherapie ist jedoch noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen, und es bedarf weiterer Studien, um die Langzeiteffekte zu bewerten.
Psychische Auswirkungen des Cannabiskonsums
Neben den körperlichen Auswirkungen kann der regelmäßige Cannabiskonsum auch psychische Folgen haben. Es wird angenommen, dass der Konsum von Cannabis das Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Angststörungen, Depressionen und in seltenen Fällen Psychosen, erhöhen könnte. Studien deuten darauf hin, dass Personen, die eine genetische oder familiäre Veranlagung zu psychischen Störungen haben, durch den Cannabiskonsum anfälliger für solche Erkrankungen werden könnten. Diese Auswirkungen sind jedoch stark abhängig von der konsumierten Menge, der Dauer des Konsums und der individuellen Veranlagung der Person. Aus diesem Grund wird der medizinische Einsatz von Cannabis in der Regel unter strenger ärztlicher Überwachung durchgeführt, um solche Risiken zu minimieren.³
Risiken und Prävention
Trotz der vergleichsweise geringen Wahrscheinlichkeit, eine Cannabiskonsumstörung zu entwickeln, besteht das Risiko einer psychischen Abhängigkeit. Besonders Menschen, die Cannabis über einen längeren Zeitraum oder in hohen Dosen konsumieren, könnten ein höheres Risiko für problematische Konsummuster haben. Ein weiterer Risikofaktor ist der Konsum im jungen Alter, da das Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet und besonders anfällig für Substanzen wie Cannabis ist.⁴
Eine enge Zusammenarbeit mit einem Arzt ist entscheidend, insbesondere bei der medizinischen Anwendung von Cannabis. Regelmäßige Konsultationen können dazu beitragen, potenziell schädliche Konsummuster frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Ärzte sollten ihren Patienten klare Richtlinien zur sicheren Anwendung geben und mögliche Nebenwirkungen oder Abhängigkeitssymptome überwachen.
Fazit: Medizinisches Cannabis und Cannabiskonsumstörung – Risiken und Chancen
Cannabis birgt, wie jede psychoaktive Substanz, das Risiko einer Abhängigkeit. Allerdings zeigt die Forschung, dass das Risiko einer Cannabiskonsumstörung im Vergleich zu anderen Substanzen wie Tabak und Alkohol relativ gering ist. Insbesondere bei medizinischer Anwendung unter ärztlicher Aufsicht ist das Risiko noch weiter reduziert.
Wichtig bleibt, die individuellen Risiken zu berücksichtigen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Für Patienten, die Cannabis medizinisch nutzen, ist eine enge Zusammenarbeit mit ihrem Arzt entscheidend, um eine potenzielle Abhängigkeit zu vermeiden. Während die Forschung zu den Risiken des Cannabiskonsums fortschreitet, bieten die Ergebnisse Hoffnung auf einen verantwortungsvollen Einsatz der Substanz sowohl zur Symptomlinderung als auch zur Unterstützung von Suchttherapien.
Quellenangaben
- Bloomfield MA, Ashok AH, Volkow ND, Howes OD. “The effects of Δ9-tetrahydrocannabinol on the dopamine system.” (2016) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5123717/ (Zugriff am 09. September 2024)
- Eugenia Palylyk-Colwell, Sharon Bailey “Cannabis for Opioid Use Disorder” (2022). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK603332/ (Zugriff am 12. September 2024)
- Grechuk K, Azizi H, Sharma V, Khan T, Jolayemi A. “Cannabis, Schizophrenia Risk and Genetics: A Case Report of a Patient With Homozygous Valine Catechol-O-Methyltransferase Polymorphism.” (2021) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8286638/ (Zugriff am 12. September 2024)
- Stiftung Gesundheitswissen “Cannabis
Risiken für Jugendliche” https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/cannabis/risiken-fuer-jugendliche (Zugriff am 14. September 2024) - Nutt, D. J., King, L. A., Phillips, L. D. „Drug harms in the UK: A multicriteria decision analysis.“ The Lancet, Band 376, Nr. 9752, 6. November 2010, S. 1558-1565. https://www.ias.org.uk/uploads/pdf/News%20stories/dnutt-lancet-011110.pdf (Zugriff am 14. September 2024).